Patisiran 29.10.2018
FDA-Zulassung für erste siRNA als Medikament

In den USA hat die FDA erstmals die Zulassung für eine sogenannte small interfering Ribonukleinsäure (siRNA) als Medikament erteilt. Die Substanz Patisiran (Onpattro®, Lipidnanopartikel zur i.v. Injektion, 10 mg/5 ml) ist indiziert zur Behandlung von Polyneuropathie bei Patienten mit hereditärer, Transthyretin vermittelter Amyloidose (hATTR). Laut FDA sind weltweit etwa 50'000 Menschen von dieser seltenen Erbkrankheit betroffen.
In Kürze sollte auch die Zulassung für die EU folgen. Der Ausschuss für Humanarzneimittel der EMA hat sich bereits Ende Juli positiv dazu geäussert. Für die Schweiz liegen noch keine Angaben vor.
Transthyretin (TTR) hat die Funktion eines Transportproteins für Thyroxin (T4) und Retinol in Blut und Liquor. Bei der hATTR wird aufgrund eines Gendefekts das Transportprotein Transthyretin in der Leber fehlerhaft gebildet und es kommt zu einer Anhäufung von unlöslichen TTR-Amyloiden, welche sich im Gewebe ablagern und insbesondere periphere Nerven, Herz, Niere und Augen schädigen können.

Patisiran ist der erste Vertreter einer neuen, RNA-gerichteten Wirkstoffklasse. Das Molekül interagiert spezifisch mit einer genetisch konservierten Sequenz der gesamten mRNA von mutiertem und Wildtyp-TTR. Durch einen natürlichen Prozess, der als RNA-Interferenz (RNAi) bezeichnet wird, bewirkt Patisiran den katalytischen Abbau der TTR-mRNA in der Leber, was zu einer Reduktion des TTR-Proteins im Serum und der Amyloiddepots im Gewebe führt.

Als häufigste Nebenwirkungen wurden u.a. infusionsbedingte Symptome (z.B. Hautrötungen, Rücken-, Bauch- und Kopfschmerzen, Dyspnoe), periphere Ödeme und Infektionen der oberen Atemwege registriert. Zudem kann es zu einem Abfall des Vitamin-A-Spiegels kommen, weshalb eine tägliche Supplementierung empfohlen wird.

Mit Vyndaqel® (Tafamidis) steht in einzelnen EU-Ländern für Patienten mit Transthyretin Amyloidose im frühen Stadium I bereits eine orale Therapie zur Verfügung, allerdings wird hier nicht direkt die Synthese von fehlerhaftem Transthyretin verhindert, sondern bestehendes Transthyretin stabilisiert und dadurch der Verlauf dieser komplexen Erkrankung verzögert. In der Schweiz hat Vindaquel® seit 2016 den Orphan-Drug-Status.

Forscher versprechen sich viel von der neuen Technologie, denn mit Hilfe von RNA-Interferenz-Wirkstoffen (syn. RNAi-Therapeutika) wie Patisiran sollen genetische Erkrankungen künftig besser behandelt werden können.

Quellen:
Pharmazeutische Zeitung, 34/2018/p34
EMA RCP Onpattro®
EMA RCP Vyndaqel®
Revue Médicale Suisse 528/2016/p1434